Verpflichtende Fortbildung: Beschluss gegen die Interessen der angestellten ApothekerInnen
- VertreterInnen der Selbstständigen setzen ihre Pläne zur Verpflichtenden Fortbildung mit den Stimmen des Forum Pharmazie durch.
- Betriebswirtschaftliche Inhalte werden pharmazeutischen Inhalten gleichgestellt.
- Zwei Drittel „freie“ Fortbildung plus ein Drittel wirtschaftliche Fortbildung sind nun ausreichend.
- Die dringend notwendige Reform zur Fortbildungsfreistellung wurde von Dienstgeberseite mit Unterstützung des Forum Pharmazie abgeschmettert.
Liebe Mitglieder, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Richtline „Verpflichtende Fortbildung“ wurde nun in einer Hau-Ruck-Aktion von den SelbständigenvertreterInnen mit voller Unterstützung des Forum Pharmazie beschlossen – und zwar gemäß den Vorstellungen der Dienstgeberseite.
Damit wurde die Chance auf eine faire und durchdachte Regelung im Sinne der gesamten Apothekerschaft vertan. Ebenso findet keine Adaption der veralteten kollektivvertraglichen Regelung zur Fortbildungsfreistellung statt, die für den VAAÖ eine Grundvoraussetzung ist, um eine Verpflichtende Fortbildung gemäß den hohen Standards eines Gesundheitsberufes umsetzen zu können.
Der Hintergrund
Seit 15 Jahren diskutieren wir mit dem Österreichischen Apothekerverband über die Verpflichtende Fortbildung.
Es scheiterte immer an zwei „Knackpunkten“:
- Die SelbstständigenvertreterInnen wollen sich keinesfalls einem Zwang für ihre Mitglieder zu einer Verpflichtenden (sic!) Fortbildung inklusive Konsequenzen aussetzen.
- Eine Anrechnung der für Fort- und Weiterbildung aufgewendeten Zeiten als Arbeitszeit – zumindest im Ausmaß der Mindestverpflichtung – wurde von ihnen ebenso vehement abgelehnt, mit der Begründung das sei „euer Privatvergnügen“.
In fast allen europäischen Ländern, in anderen akademischen Berufen und speziell im Gesundheitsbereich wurde ein solches System längst umgesetzt. Wir haben für den österreichischen Apothekerstand immer wieder eine für beide Seiten faire Lösung angestrebt.
Zwei essenzielle, untrennbar miteinander verbundene Punkte waren und sind dabei für uns als Arbeitnehmervertretung nicht verhandelbar:
Eine Dienstfreistellung/Zeitausgleich im Ausmaß der zeitlichen Mindestanforderung der Verpflichtenden Fortbildung
Sinnvolle und qualitativ hochwertige Inhalte abgestimmt auf die Anforderungen an der Tara und in der Krankenhausapotheke und machbar für jede angestellte Apothekerin, jeden angestellten Apotheker in ihrer bzw. seiner individuellen Lebenssituation
Darauf haben die angestellten ApothekerInnen ein Recht!
In der Österreichischen Apothekerkammer haben wir dazu eine Richtlinie ausgearbeitet.
Nach einer längeren Pause wurden zu Beginn dieses Jahres die Gespräche zwischen den Verbänden wieder aufgenommen. Völlig überraschend und ohne weitere Gespräche bzw. Vorankündigung wurde nun in letzter Minute seitens des Österreichischen Apothekerverbandes ein Antrag zum Beschluss einer rein in ihrem Sinne adaptierten Richtlinie zur Verpflichtenden Fortbildung eingebracht und gemeinsam mit den VertreterInnen des Forum Pharmazie beschlossen.
Trotz aller Argumentation seitens des VAAÖ stimmten also alle Forumsmitglieder mit dem Österreichischen Apothekerverband – gegen die Interessen der angestellten Kolleginnen und Kollegen und gegen die sinnvollen Vorschläge und Änderungswünsche des VAAÖ.
Vorschläge und Forderungen des VAAÖ
Fortbildungszeit muss Arbeitszeit sein
Der VAAÖ ist seit jeher für die Etablierung einer verpflichtenden Fortbildung eingetreten und fordert gleichzeitig eine Adaptierung des Kollektivvertrages für Pharmazeutische Fachkräfte. Denn die derzeit geltenden Bestimmungen zur Fortbildungsfreistellugn entsprechen längst nicht mehr den aktuellen Anfordernissen. Vor allem kann von den angestellten ApothekerInnen keinesfalls verlangt werden, dass sie ihre gesamte Freizeit aufwenden, um ihre Berufsqualifikation aufrecht zu erhalten. In allen anderen Berufssparten ist es üblich, dass DienstnehmerInnen sich während ihrer Arbeitszeit und auf Kosten ihrer DienstgeberInnen fortbilden.
Unser Vorschlag: Zeitausgleich ODER Dienstfreistellung für ALLE von der Österreichischen Apothekerkammer akkreditierten Fortbildungen.
Das ist die beste Lösung für DienstgeberInnen und DienstnehmerInnen. So haben wir mehr Angebote und können dann eine Fortbildung absolvieren, wenn es für Betrieb und Angestellte am besten passt.
Inhalte für uns als ECHTEN Gesundheitsberuf
- Die Betonung der betriebswirtschaftlichen Inhalte ist nicht akzeptabel, daher ist es zwingend notwendig, auf den ursprünglichen Entwurf der Fortbildungs-Richtlinie zurückzukehren.
- Auch die Teilnahme an akkreditierten Online-Veranstaltungen muss entsprechende AFPs bringen.
- Die Reduzierung der erforderlichen AFP von 78 auf 45 und umgekehrt die Erhöhung der FFP von 72 auf 105 entspricht in keinster Weise einer qualitätsvollen beruflichen Fortbildungsrichtlinie.
- Eine Unterbrechung von bis zu sechs Monaten muss möglich sein.
- Fortbildungen für Krankenhaus-ApothekerInnen werden automatisch anerkannt, wenn sie im Fortbildungskatalog enthalten sind.
Was bedeutet die nun beschlossene Richtlinie für die angestellten ApothekerInnen?
In wenigen Worten: Eine unserer großen Zukunftschancen, die Verpflichtende Fortbildung, wurde nun ganz im Sinne der Selbstständigen durchgewinkt. Das heißt, sie wird völlig unbefriedigend auf dem Rücken der angestellten Apothekerinnen und Apotheker umgesetzt. Die Selbstständigen haben damit gemeinsam mit dem Forum Pharmazie ein gutes Stück der Zukunft unseres Berufsstandes verspielt.
Letzten Endes werden die Inhalte im Rahmen der Verpflichtenden Fortbildung nicht den Anforderungen der KollegInnen an der Tara entsprechen.
Die Kritikpunkte:
Eine Fortbildung für ApothekerInnen, bei der es möglich ist, die erforderlichen Punkte nur aus wirtschaftlichen und freien Fortbildungsveranstaltungen zu generieren, ist eines Gesundheitsberufes nicht würdig. Mit dieser Hervorhebung der betriebswirtschaftlichen Inhalte und der Umschichtung der Gewichtung zu Ungunsten der akkreditierten pharmazeutisch-fachspezifischen Fortbildungen geben wir unserem Berufsstand der Lächerlichkeit preis.
Es ist untragbar, dass alle angestellten Apothekerinnen und Apotheker die (verpflichtenden) Fortbildungsveranstaltungen praktisch ausschließlich in ihrer Freizeit absolvieren müssen – entgegen der in der europäischen Apothekerschaft gelebten Praxis. Wir sind anders.
Dass diesen haarsträubenden Vorschlägen neben dem Österreichischen Apothekerverband eine, nach eigenen Worten, „Angestelltenvertretung“ zustimmt, braucht nicht extra kommentiert zu werden.
… eine vertane Chance und ein immenser Schaden für den gesamten Apothekerstand.
Ihr VAAÖ-Präsidium
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